Rückbau und Schadensermittlung

Ein häufiges Motiv der Jahre vor dem eigentlichen Beginn der Sanierung

Die nächsten zwei Jahre (Sommer 2015 bis Sommer 2017) waren geprägt vom Rückbau der unsachgemäßen Einbauten und der Wiederherstellung der Räumlichkeiten wie sie zur Zeit der großen Renovierung von 1914 bestanden haben dürften. Mehr als zehn Container wurden in dieser Zeit mit Bauschutt, Baumischabfall und vor allem Altholz, das von den verschiedenen, aufeinander gelegten Fußbodenschichten sowie den im Dachboden eingebauten Kammern stammt, gefüllt. Zur Erholung wurde der völlig verwilderte Garten in seiner Grundstruktur wiederhergestellt, um zunächst Fläche als Zwischenlager für Baumaschinen und Baustoffe zu haben, aber auch um die künftige Gestaltung unter Berücksichtigung der vorhandenen Elemente zu überlegen.

Sortenrein zwischengelagert wurde das Material bis zum Ausbau des dortigen Bodens in der Eingangshalle, um die Containerstandzeiten zu minimieren.

Diese vorbereitenden Arbeiten ermöglichten erst eine halbwegs präzise Ermittlung der am Gebäude aufgetretenen Schäden, da zahlreiche Renovierungsarbeiten im 20. Jahrhundert das Ziel hatten, vorhandene Schäden nicht zu beseitigen, sondern bloß zu überdecken.

Parallel und nachfolgend begannen deshalb die Sachverständigenuntersuchungen, die sowohl denkmalpflegerische (Bauforschung, Farbrestaurierung, Steinrestaurierung) als auch fachplanerische Hintergründe (vor allem Tragwerksplanung, Schadstoffsanierung) hatten. Ziel dieser Untersuchungen war es, Bauphasen und Umbaumaßnahmen voneinander zu scheiden und darüber hinaus den notwendigen Sanierungsbedarf sowie Schutzmaßnahmen gegenüber möglichen Schadstoffbelastungen im Verlauf der Sanierungsarbeiten zu identifizieren.

Ausbau der drei übereinanderliegenden Bodenbeläge im Dachgeschoss. In den blauen Säcken wird die zur Isolierung über den Lehmwickeln eingebrachte Spreu entsorgt. Die Senkungen zur Gebäudemitte hin, die das statische Problem verdeutlichen, sind auch hier im Bild klar erkennbar und setzen sich im Obergeschoss fort.

Am fatalsten erwiesen sich die Rückbauarbeiten im Dachgeschoss mit seinem ‚doppelten‘ Dachstuhl aus der Erbauungszeit und von der Erweiterung 1717, weil sich hier erstmals und mit aller Macht die statischen Probleme des Gebäudes offenbarten. Sichtbar wurde nicht nur – erkennbar vor allem an den jetzt freigelegten Oberzügen – die starken Verformungen, denen das Gebäude ausgesetzt war, sondern auch die unglaublichen Kräfte, die auf das Gebäude eingewirkt haben und die sich – nach Freilegung der Nut- und Federbretter im Deckenbereich – in gebrochenen Tragbalken und auseinander gezogenen Verbindungen zeigten.

Juli 2015, Blick nach Osten
Der freigeräumte Dachboden vor Beginn der Rückbauarbeiten. Hinten links ragt aus dem Mauerwerk die steinerne ‚Stütze‘ hervor. Die Hauserweiterung kann man an dem doppelten Dachstuhl links erkennen
Juli 2016, Blick nach Westen in Richtung Stettener Straße
Der Dachboden nach Abschluss des Rückbaus sämtlicher Einbauten

Unsachgemäß durchgeführte Reparaturen im Dachstuhl nach mutmaßlich jahrelangen Wassereintritten verschärften die statischen Probleme zusätzlich, ebenso wie die zahlreichen abgefaulten Balkenköpfe. Ein drastisches Beispiel einer solchen unsachgemäßen Instandsetzung mit ‚Bordmitteln‘ zeigt das folgende Foto. Hier wurden einem sowieso schon instabilen Tragwerk durch die mangelhafte ‚Reparatur‘ zusätzliche Lasten auferlegt.

Durch Mauerwerk ersetzte Stütze (im Bild rechts, Blick von der Ostwand des Gebäudes nach Westen), die eine der Pfetten (ganz rechts oben) tragen soll und wahrscheinlich nebst Pfette durch eine Undichtigkeit im Dach verrottet war und entfernt wurde. Die Vorbesitzer nutzten dies als „Chance“ und trennten einen Teil des Dachbodens durch eine gemauerte Wand ab, die hier schon bis auf den die Pfette ‚tragenden‘ Teil entfernt wurde.
Im Hintergrund, links neben der Ziegelwand sieht man, wie es sein sollte und kann die Erweiterung des Dachstuhls im Jahr 1717 nach Norden erkennen. Das Mauerwerk liegt diagonal auf dem alten Dachstuhl auf.

Ähnliche Maßnahmen wie im Dachgeschoss ließen sich im ganzen Gebäude finden und ihr Rückbau dauerte mehrere, so nicht eingeplante Monate. Eine statisch ähnlich kontraproduktive Maßnahme wie die Ziegelwand im Dachgeschoss etwa findet sich im Obergeschoss. Der ursprüngliche Saal an der Westseite wurde wahrscheinlich schon vor 1914 durch eine ausgemauerte Fachwerkwand, hinter der die ursprüngliche Wandvertäfelung weiter geht, geteilt und dadurch zusätzlich Masse ins Gebäude eingebracht, die nicht mehr entsprechend der damaligen Tragwerksplanung aufgefangen werden konnte. Diese Zwischenwand, die den einstigen Saal in zwei jeweils ca. 25 qm große Räume teilt, wurde belassen, entsprechen sie doch eher heutigen wohnwirtschaftlichen Bedürfnissen. Die Holzzwischenwand, die einen der beiden Räume zusätzlich trennte und bereits elektrifiziert war (also wahrscheinlich erst in der Nachkriegszeit eingebaut wurde), wurde allerdings genau so wie der aufgedoppelte Boden in diesem Raum entfernt. – Seitdem weist dieser Raum ein Gefälle von ca. 6cm zur Gebäudemitte hin auf einer Länge von ca. 5m auf. Dass diese Setzung historisch ist, zeigen die Lambris (Wandverkleidungen), die diese Setzung nicht mitgemacht haben und im unteren Bereich ergänzt wurden.

Februar 2016.
Situation nach Entfernung der hölzernen Zwischenwand und des aufgedoppelten Bodens im vorderen Teil des Raums. Die unterschiedliche Farbigkeit der Lambris markiert die ehemalige Raumteilung.
Man erkennt den zu erhaltenden hölzernen Dielenboden mit dem Eichenkreuz in der Raummitte.
Februar 2016.
Demontage der hölzernen Zwischenwand. In der linken Bildseite der aufgedoppelte Nut-und-Feder-Boden der 1950er Jahre.

Weiterhin wurden zugemauerte Türen wieder geöffnet, nachträglich aufgemauerte Zwischenwände entfernt und Wandverkleidungen abgenommen, hinter deren Isolierung nicht nur dicke Schimmelbeläge wuchsen, sondern auch – wie hier an der südlichen Außenwand – die Schwelle feucht geworden war.

Juli 2015
Verschimmelte Außenwand nach Abnahme der Wandverkleidung
Juli 2016
Rückbau einer Wand im Erdgeschoss, die ein nachträglich eingebautes Bad von der Gemeinschaftstoilette im Hintergrund trennte.

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